Die Geschichte des Samba - Carneval in Rio de Janeiro
...ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Maskenbälle in geschlossenem
Rahmen veranstaltet, auf denen die gehobene Gesellschaft Batuque und
Polka, Mazurka und Walzer tanzte. Ausgehend von Rio formierten sich an
Karneval Rancho- und andere Gruppen und zogen spielend und tanzend
durch die Städte. Heute feiert Rio de Janeiro den berühmtesten Karneval
der Welt - mit dem Umzug der Sambaschulen als farbenfrohem Höhepunkt...
Auszug aus:
DIE SAMBASCHULEN VON RIO DE JANEIRO
ANPASSUNG UND WIDERSTAND
Ethnologische Beiträge zu Sozialorganisation und kultureller
Manifestation
Eva Kolm
1917 tauchte die Bezeichnung Samba das erste Mal in einem schriftlichen
Dokument auf: das Musikstück "Pelo Telefone" wurde unter der Bezeichnung
"Samba Carnavalesco" registriert.21 "Samba hat es in Wirklichkeit schon
gegeben, aber erst ab jetzt richtete sich die Aufmerksamkeit auf ihn durch den
Erfolg, der ihm die endgültige Weihe als die typischste und repräsentativste
populäre urbane Lied- und Tanzform des Landes geben sollte." (Alencar bei
Tupy 1985: 43). Die ranchos erlebten ihre Blütezeit von 1920 bis 1930, mußten
sich dann aber den Sambaschulen geschlagen geben und verschwanden von
der Bildfläche (vgl. Empresa de Turismo 1991: 170).
1928 wurde die Deixa Falar ("Laßt uns sprechen") im Bezirk Estácio als erste
Karnevalsorganisation unter der Bezeichnung Sambaschule gegründet. Estácio
war damals als gefährliche Gegend berüchtigt, wo sich Arbeitslose,
Gelegenheitsarbeiter, Spieler und Prostituierte (also malandros) vom morro de
São Carlos aufhielten. Für die Gründer der Deixa Falar, die sich an der
Organisation der ranchos orientierten, da diese unter Polizeischutz standen, war
mit Sicherheit der Wunsch nach sozialem Aufstieg und gesellschaftlicher
Anerkennung ein ausschlaggebendes Motiv.
Die Sambaschule nahm wie die ranchos mit einer comissão de frente, einem
Frauenchor der pastoras, den Solotänzern mestre-sala und porta-estandarte
und einem Orchester namens bateria, bestehend aus Perkussionsinstrumenten,
Gitarre, cavaquinho und Mandoline, am Karneval teil. Ihre Sambas hatten aber
einen schnelleren Rhythmus als die marchas, der dramaturgische Aspekt fehlte
ihr, und sie führte die ala das baianas ein, eine Gruppe von Männern und
Frauen, deren Kostüm an die Tracht der ehemaligen Sklavinnen aus Bahia
erinnerte. Die Deixa Falar selbst existierte nur drei Jahre, doch fast gleichzeitig
mit ihr entstanden in anderen Bezirken weitere Sambaschulen, und um 1930
fand bereits der erste Sambaschulwettbewerb statt (Empresa de Turismo 1991:
185).
Die Sambaschulen präsentierten in ihrer Anfangszeit meistens zwei Sambas,
einen beim Kommen, und einen während der eigentlichen Vorführung. Der erste
Teil des Sambatextes war traditionellerweise vorgegeben und wurde von den
pastoras gesungen, während der zweite Teil von Solosängern improvisiert
wurde.
Die ZuschauerInnen fungierten als Jury und trafen ihre Entscheidung,
indem sie sich der Sambaschule anschlossen, die ihnen am besten gefiel. 1931
stellte die Sambaschule Portela als erste einen enredo, ein Thema, in den
Mittelpunkt und verwendete dazu eine alegoria.
Der Wettbewerb der Sambaschulen war ein so großer Erfolg, daß er bereits
1933 Teil des offiziellen Programmes des Karnevals wurde, den die Prefeitura
do Distrito Federal (Gemeindeverwaltung) und der Touring Club unter der
Schirmherrschaft der Tageszeitung O Globo organisierten. Aus diesem Anlaß
wurde das erste Reglement erstellt, das bis heute Gültigkeit hat:
Blasinstrumente waren verboten, und die ala das baianas wurde obligatorisch
(Empresa de Turismo 1991: 196). Die Sambaschule Mangueira stellte im selben
Jahr einen Samba ohne Improvisationsteil vor, der heute als erster samba-
enredo bezeichnet werden kann. Es handelt sich dabei um einen Samba, in
dessen Mittelpunkt das Thema steht, das von der Sambaschule im Karneval
präsentiert wird. Diese Form des Samba war für Radiopublikum leichter
konsumierbar und setzte sich deshalb langfristig durch.22
1934 wurde die erste Dachorganisation der Sambaschulen, die União das
Escolas de Samba gegründet.
Ein Jahr später mußten sich die Sambaschulen
auf der Delegacia de Costumes e Diversões ("Polizeikommissariat für Bräuche
und Vergnügungen") unter der Bezeichnung "Grêmio Recreativo Escola de
Samba", kurz GRES, als "sociedade civil de cultura e lazer, sem finalidades
lucrativas", also als gemeinnütziger Kulturverein registrieren lassen, wenn sie
am Wettbewerb teilnehmen wollten.
Der Staat hatte seine Fühler ausgestreckt.
Jede registrierte Sambaschule erhielt 300.000 Réis Subvention von der
Präfektur (Gemeindeverwaltung) (vgl. Gardel 1967: 33) und wurde von einer
Jury anhand der Kategorien Originalität, harmonia (Harmonie in Rhythmus und
Gesang), bateria und Standarte bewertet. Die offizielle Anerkennung brachte
Neuheiten mit sich. Die Mitglieder der Sambaschulen waren noch nicht
einheitlich kostümiert, doch sie respektierten die Farben ihrer Sambaschule. Die
Sambaschule Portela führte bewegte alegorias ein. Von den ranchos wurden
nun auch die später eingeführten destaques, die reichere Kostüme trugen,
übernommen, und es war üblich, passistas (SolotänzerInnen) zu präsentieren...
...lesen Sie weiter in der Quelle...=> http://wiki.lateinamerika-studien.at/index.php/Lateinamerika-Studien.at
Lufdablom