Rheinland-Pfalz: Das Mainzer Infrastrukturministerium hat sich in einem komplizierten Streitfall für 30 000 Euro die Rechte an einer Studie gesichert, auf die bahnlärm-geplagte Menschen ebenso warten wie der Bundesrat.
Denn bislang hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die 100 Seiten unter Verschluss gehalten – weil sie angeblich wertlos sind.
Kritiker gehen davon aus, dass die Studie Bund und Bahn nicht passt. Weil der Bund nicht den vollen Gutachterpreis, sondern nur 70 Prozent oder etwa 70 000 Euro zahlen will, spitzt sich der Streit zu. Der anerkannte Sachverständige Gottfried Ilgmann zieht vors Bonner Landgericht. Der Bund reagiert mit Widerklage: Er will jetzt sein gesamtes Geld zurückhaben.
Programm "Leiser Rhein": Land will laute Waggons teurer machen
Im Hintergrund des komplizierten Rechtsstreits geht es um das Programm „Leiser Rhein“ und das von Rheinland-Pfalz vorfolgte Ziel, mit gestaffelten Trassenpreisen den Bahnlärm im Rheintal zu halbieren: Leise Güterwaggons sollen billiger fahren als laute.
Um die Umrüstung mit leisen Bremsen zu beschleunigen, soll es einen wirtschaftlichen Anreiz, sprich Zuschuss geben. Das setzte das Land auch im Bundesrat mit Mehrheit durch.
Erster Erfolg: Fürs Bundesverkehrsministerium sollte der unabhängige Ilgmann die Kosten eines lärmabhängigen Trassenpreissystems ermitteln. Die Studie lieferte er auch Anfang 2011. Aber der Bund kritisierte, dass die Kosten nicht genau beziffert wurden.
Konzept von Ramsauer und Bahn-Chef in der Kritik
Folge: Ramsauer und Bahn-Chef Rüdiger Grube einigten sich im Juli 2011 auf ein Verfahren, das für Ilgmann ein „Programm zur Untätigkeit ist“, wie es im auch lauten Bonner Zivilprozess zu hören ist. Ist das Programm gegen den Krach im Rheintal also nur ein Bluff?
Jedenfalls ist Ilgmann mit seiner Kritik nicht allein. Aus Sicht des Mainzer Ministeriums hat Ramsauer die Bundesratsbeschlüsse nicht so umgesetzt, dass schnell mit weniger Lärm zu rechnen ist. Für den Bahnexperten im Ministerium, Georg Speck, fehlt schlicht der echte wirtschaftliche Anreiz, die alten Güterwaggons Zug um Zug mit Flüsterbremsen umzurüsten. Der Bonus liegt weiter unter dem Betrag, den die Länder für notwendig halten. Außerdem orientiert sich der Bundes-Bonus am niedrigen Preis der sogenannten LL-Sohle, die „frühestens Ende 2013 zugelassen wird“. Für Speck ist auch die Drohkulisse, dass von 2020 an keine lauten Wagen mehr fahren dürfen, rechtlich „kaum haltbar“.
Politischer Streit steckt hinter Prozess um Honorarkosten
Dieser politische Streit steckt auch hinter dem Prozess um strittige Honorarkosten und ein Gutachten, das angeblich wertlos ist, aber das der Bund bisher partout nicht veröffentlichen will. Dieser Knackpunkt wird im Prozess immer wieder deutlich. Doch der Bonner Einzelrichter Heinz Sonnenberger will unbedingt einen Vergleich erzielen. Denn es ist schwer, einen Spezialist zu finden, der den wahren Wert des womöglich brisanten Gutachtens beziffern kann. Mainz greift zu und kauft Studie - Bund will Inhalt nicht veröffentlicht sehen
Eine Wende zeichnet sich nach langen Wortgefechten erst ab, als Ilgmann ein Ass aus dem Ärmel zieht: Das Mainzer Ministerium ist bereit, für die Studie „Bewertung von Modellen einer schnellen Umrüstung von Güterwagen auf Lärm mindernde Bremssohlen“ das ausstehende Honorar von 30 360 Euro plus Mehrwertsteuer zu übernehmen. Allerdings passt dem Bund die Bedingung dafür nicht: Das Land erhält die Studie, kann sie auch anderen zur Kenntnis geben.
Nein zur Freigabe - Warum nur, wenn Studie nichts taugt?
Die Bundesbeamten ziehen sich mit Anwalt zurück, pokern, wollen nun 40 000 Euro zurückerstattet bekommen. Aber an der Freigabe der Studie kaut man immer noch. Warum nur, wenn sie doch nichts taugt?, fragen sich Zuhörer. Der Gerichtssaal wird zum Basar. Der Richter peilt eine 50:50-Lösung an. Am Ende steht fest – sofern die Haushälter im Bundesministerium zustimmen: Rheinland-Pfalz zahlt Ilgmann die 30 000 Euro und kann die Studie auswerten. Ilgmann zahlt, damit der Streit ein praktikables Ende findet, dem Bund 24 000 Euro zurück. Interessant: Die Studie in Papierform (30 Stapel) will der Bund aber nicht rausrücken. Kann man doch noch etwa daraus lernen? Ilgmann kann dies egal sein und die Daten für Mainz neu ausdrucken.