Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  
happy-forum
 
Brasilien



http://www.happy-rio.net



   Basilien  - Malta 
   
                    
      Gegensätze 

...jedoch beideLänder...

         spannend

          und sehr

         interessant

     ...viel Spass...!         

Malta



http://www.happy-malta.net

Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 0 Antworten
und wurde 212 mal aufgerufen
 Medien (Zeitungen, Bücher, ...)
Lufdablom Offline




Beiträge: 168

26.08.2010 18:49
RE: Ein Land der Zukunft.... Antworten

Vorweg...aber auch das muss man wissen...


Er hat die Augen vor vielem verschlossen
Stefan Zweig und Brasiliens Auslandspropaganda
von Klaus Hart

Zu den geschicktesten Schachzügen der antisemitischen Diktatur des Hitlerverehrers Getulio Vargas gehörte, den Schriftsteller Stefan Zweig in die Auslandspropaganda des Regimes einzuspannen und gewünschte Brasilienklischees weltweit zu verbreiten. Die Wirkungen sind bis heute spürbar: Vor 65 Jahren veröffentlichte Stefan Zweig sein Buch "Brasilien - ein Land der Zukunft" - bis heute ist es ein Weltbestseller, ein Klassiker der Brasilienliteratur und weckt auch bei Deutschen aller Generationen nach wie vor Interesse, sogar Begeisterung für das Tropenland.

Wer Brasiliens gravierende Menschenrechtsprobleme, Rassismus und fortexistierende Sklavenhaltermentalität, die keineswegs neuen Sozialkontraste indessen genauer kennt, fragt sich bei der Lektüre des literarischen Meisterwerks, ob Zweig nicht gelegentlich irrte, idealisierte, romantisierte, übertrieb, gar opportunistisch mit historischen Wahrheiten umsprang, sich da realitätsfremd ein Tropenparadies zurechtschrieb. Der brasilianische Zweig-Biograph Alberto Dines aus Sao Paulo spart just aus solchen Gründen nicht mit Kritik. Dines hat bei der edition Büchergilde in Frankfurt am Main seine rund 700 Seiten starke Zweig-Biographie „Tod im Paradies“ veröffentlicht. Der Journalist und Autor Alberto Dines zählt zu den bekannten jüdischen Persönlichkeiten Brasiliens und hat als Junge Stefan Zweig in Rio de Janeiro noch persönlich kennengelernt. Wer heute dessen Werk „Brasilien – ein Land der Zukunft“ lesen und verstehen wolle, so Dines, müsse stets die Persönlichkeit, das Charakterprofil des Dichters sowie den damaligen historischen Kontext im Blick haben. Dies betreffe Zweigs Lob für Brasiliens Rassenharmonie ebenso wie seine Beschönigung des Lebens in den Slums.

Neue Studien brasilianischer Wissenschaftler, aber auch der Vereinten Nationen, beschreiben das grauenhafte Ausmaß von Rassismus und Diskriminierung in Brasilien. „Just der brasilianische Staat“, so 2006 Lucia Xavier von der NGO „Criola“ in Rio, „welcher den Mythos von der Rassendemokratie konstruierte, pflegt den institutionalisierten Rassismus.“ War er während Stefan Zweigs Aufenthalt etwa abgemildert, schwächer als heute? „Damals war all das noch viel grauenhafter“, konstatiert Alberto Dines. Laut Stefan Zweig löste Brasilien die Rassenfrage geradezu beispielhaft und bewundernswert. Alle Rassen, so der Dichter, lebten in vollster Eintracht miteinander. Dines setzt dagegen, daß von einer Lösung der Rassenfrage weder damals noch heute die Rede sein kann. „Aber es gab damals nicht jenen aggressiven Rassismus, den Zweig aus Europa kannte. Stefan Zweig war kein Sozialwissenschaftler, kein Anthropologe, kein Wirtschaftsexperte – und sprach auch nicht portugiesisch.“ Deshalb kommt er wohl zu der irrigen Annahme, in Brasilien fehlten ein abfälliges, rassistisches Vokabular, herabsetzende Worte über Negros. „Solche Begriffe gibt es durchaus“, meint Dines. „Es ist unbestreitbar, daß man viele Jahre braucht, um in das Leben Brasiliens wirklich einzutauchen – und Stefan Zweig sagt selbst, er sei nur kurze Zeit hier gewesen, habe nur wenige Orte besucht.

Er war auch kein politisierter Mensch, er täuschte, irrte sich, auch in politischen Fragen Brasiliens. Ich denke, er hat die Augen vor vielem verschlossen, ich bin da sehr kritisch.“ So behauptet Zweig realitätswidrig, in Brasilien habe man noch nie von Brutalität gegenüber Tieren, gar von Hahnenkämpfen gehört. Der große Zweig kann für diese Anmerkung nur ungläubiges Kopfschütteln ernten - denn gerade die grausamen Hahnenkämpfe waren damals in Brasilien - und auch in der Region von Rio de Janeiro - außerordentlich beliebt. Schwer vorstellbar, daß Zweig davon nichts mitbekommen hatte. Das entsetzliche Vergnügen hatten die portugiesischen Kolonisatoren mitgebracht, seit 1530 gibt es darüber Berichte. Und selbst Staatschef Lulas PR-Manager Duda Mendonca ist bis heute Fan von Hahnenkämpfen, die ganze Spitze der Arbeiterpartei wußte stets davon. Bei den von Anbeginn der Kolonisierung bis heute üblichen Brandrodungen sterben ungezählte, auch seltenste, vom Aussterben bedrohte Tiere auf grausamste Art, verbrennen lebendig - und jeder Brasilianer weiß das genau.

Angesichts des heute wie damals extrem sozialdarwinistischen Alltags von Brasilien erscheint Zweigs Beschreibung des brasilianischen Nationalcharakters, der Landesmentalität teilweise wie ein schlechter Witz. Hans Stern aus Rio, jüdischer Besitzer eines Juwelierkonzerns, nennt Zweigs Brasilienbuch daher „opportunistisch“:“Da schwärmt er von der Harmonie der Rassen, von der Herzensgüte des Volkes, von den bunten, lebhaften Tropen, in denen alles blüht, auch wenn es mal welkt.“ Zu Zweigs Zeiten, in den vierziger Jahren sei Brasilien ein ganz primitiver Staat gewesen. --Zweigs „Geschäft“ mit der Vargas-Diktatur – Buch im Tausch gegen Dauervisum Alberto Dines erinnert daran, daß damals, 1941, in Brasilien der Diktator Getulio Vargas an der Macht war, es eine faschistische Partei mit 600000 Mitgliedern gab, die Politik, die öffentliche Meinung von grauenhaftem, aggressivem Antisemitismus geprägt waren. Das Außenministerium – voller Antisemiten. „1941 schrieben Zeitungen, die Copacabana sei nicht wiederzuerkennen - verpestet von Leuten mit Judennasen!“ Regimegegner wurden gefoltert. Ein Vargas-Dekret verbot zur Hitlerzeit, europäischen Juden, die nach Brasilien flüchten wollten, ein Einreisevisum auszustellen – ungezählte endeten deshalb in den KZs. Für die brasilianische Historikern Maria Tucci Carneiro aus Sao Paulo ist die Vargas-Regierung mitschuldig an nazistischer Ausrottung, was sich jeder Brasilianer endlich einmal bewußt machen sollte.

Schon 1936 hatte der als antisemitisch verschriene Diktator Vargas in Rio taktisch geschickt Stefan Zweig empfangen – genau zwei Tage später lieferte Vargas die Jüdin Olga Benario an Hitlerdeutschland aus, in Bernburg wurde sie vergast. „Am 27.August 1936 war die Nachricht von der Auslieferung in den brasilianischen Zeitungen.“ Damals ist der deutschstämmige Filinto Müller gefürchteter Chef der politischen Polizei, hält mit seinen Leuten enge Kontakte zur Gestapo, läßt von ihr in Berlin seine Nachwuchskader ausbilden. Alberto Dines konstatiert: “Dieses Visum war damals eine kostbare Sache für jeden Juden, der aus Europa flüchten wollte. Und Stefan Zweig machte eben ein Negocio, Geschäft mit der Vargas-Regierung – er schrieb ein Buch zugunsten Brasiliens im Tausch gegen ein Dauervisum, erhielt es mit unglaublicher Leichtigkeit. Und wenn er ein Buch verfaßt, das günstig für das Land ist, wird er eben bestimmte Dinge nicht sagen.“ Jorge Amado nennt es ein Auftragswerk. Zweig, so heißt es, habe enge Kontakte zu Diktator Vargas unterhalten. Dieser wird stets positiv erwähnt. Das Vargas-Regime macht vorhersehbar offen Propaganda für „Brasilien – ein Land der Zukunft“. Lourival Fontes, rechte Hand von Vargas und sein Propagandachef, charakterisiert das Buch als Dienst an der brasilianischen Nation.

Ausgerechnet vom Goebbels dieses Vargas ließ sich Zweig, der sich mit Brasilianern nicht in ihrer Landessprache unterhalten konnte(!), einen Übersetzer stellen sowie eine Reise in den Nordost-Teilstaat Pernambuco finanzieren. Biograph Dines erinnert daran, daß ausgerechnet Mussolini jenen hochintelligenten Propagandachef überschwenglich lobte. In der ganzen Welt verstünden nur drei Personen den Faschismus – Fontes sei einer davon. „Mit Stefan Zweig und anderen jüdischen Persönlichkeiten ging Fontes sehr freundschaftlich um - dem vor den Nazis geflohenen französischen Juden Max Fischer half er sogar, einen Verlag zu gründen. Das ist wichtig – man muß die brasilianische Ambiguidade, Zweideutigkeit verstehen, Brasilien ist ein zweideutiges Land.“ Hat Zweig dies verstanden? „Ah – das weiß ich nicht.“ Zudem war Stefan Zweig laut Dines eine empfindsame, ängstliche Person, die nicht polemisierte und auch nicht diskutierte. „Ich hätte nicht wie Zweig reagiert – der damals bereits tief depressiv war. Denn Zweig hatte ja Angst vor dem Krieg, flüchtete deshalb nach Brasilien – doch der Krieg kam ihm nach. In Rio wurden Zivilschutzübungen abgehalten, wegen der deutschen U-Boote lag nachts die Copacabana im Dunkel."

Dines zitiert Zweigs Gastgeber in Rio, Abrahao Koogan, der über den Dichter auf einer Konferenz sagte: “Er war ein feiger Mensch.“ Als „Brasilien – ein Land der Zukunft“ herauskam, wurde es von der Presse wegen verschiedenster Ungereimtheiten arg verrissen – doch jeglicher Hinweis auf politische Aspekte, gar auf die unterlassene Kritik am Antisemitismus, fehlte durchweg. Denn wer dies gewagt hätte, so Alberto Dines, wäre unter der Vargas-Diktatur womöglich verhaftet worden. Zweig antwortet auf die Vorwürfe – ausgerechnet in einer wenig gelesenen Zeitung der Vargas-Regierung. Manche Buch-Zitate Zweigs wirken wie pure Vargas-PR:"Wer das Brasilien von heute erlebt, hat einen Blick in die Zukunft getan." Oder: "Wer Brasilien wirklich zu erleben weiß, der hat Schönheit genug für sein halbes Leben gesehen." Bis heute werden solche Zweig--Sprüche selbst von der Reisebürowerbung gerne übernommen. In dem Brasilienbuch brilliert er mit anschaulichen Beschreibungen der nationalen Industrie, der enormen Bodenschätze, der Landwirtschaft. Nichts davon stammt von ihm, alles hat er von dem Wirtschaftsexperten Roberto Simonsen übernommen, wie Alberto Dines betont. Dann zählt er verschiedene Irrtümer Zweigs auf. In Sao Paulo begeisterte sich dieser an einem Modellgefängnis, das nach den Methoden eines deutschen Pädagogen und Mediziners geführt wurde. “Stefan Zweig glaubte damals, Brasilien nutze Wissen und Erfahrung anderer Völker landesweit und habe daher alle Möglichkeiten zum Wachsen. Doch just dieses Modellgefängnis von Sao Paulo wurde zu einer entsetzlichen riesigen Anstalt namens Carandirù ausgebaut, zur Hölle für unzählige Häftlinge. Zweig konnte nicht voraussehen, daß Brasilien ins Stocken, ja zum Stillstand kommen würde. Man investierte weder in die Gefängnisse noch in die Schulbildung. Statt echter Entwicklung nur pharaonische Projekte, dazu die Auswirkungen der Bevölkerungsexplosion, der Korruption und vieler anderer negativer Faktoren. Brasilien hat sich brutalisiert.“

Stefan Zweig hätte auch die Folgen der tiefverwurzelten Sklavenhaltermentalität erwähnen, den Horror der brasilianischen Sklaverei schildern müssen. Nichts davon – stattdessen betont er, in keinem anderen Land seien die Sklaven so relativ humanitär behandelt worden. Er gewinnt dem elenden Leben der schwarzen Sklavennachfahren sogar pittoreske Seiten ab, beschreibt die Schwarzen als fröhlich und glücklich. --Dichterisch-journalistische Sorgfaltspflicht—„Er erfand das Paradies“-- “Nur ein einziges Mal war er in einem Slum und idealisierte daraufhin das einfache Leben der Leute dort. Andere prominente Zugereiste, darunter Soziologen und selbst Orson Welles, hoben ebenfalls nur die pittoresken Aspekte der Armut hervor. Zweig täuschte sich – aber das entsprach ja seinem idealisierenden, romantisierenden Naturell. Er erfand das Paradies. Sicherlich hatte er dafür einige konkrete Elemente, denn es gab gute Dinge in Brasilien. Doch jenes Paradies, das er da erdichtete, hat seinen Selbstmord nicht verhindert.“

Die problematische Art Stefan Zweigs, ein großes, bedeutendes Land wie Brasilien zu beschreiben, findet bis heute viele Nachahmer und ist zwecks Beeinflussung der öffentlichen Meinung sehr wirkungsvoll. In Zeiten von weitreichender Zensur und Mediensteuerung aus politisch-wirtschaftlichen Gründen veröffentlichen Nicht-Journalisten, Nicht-Autoren, käufliche PR-Leute weiterhin über sehr komplex strukturierte Länder wie Brasilien die abenteuerlichsten Dinge, häufig aus ebenso fragwürdigen Motiven wie damals. Motto: Das macht doch nichts, es merkt doch keiner – und wenn, heute, bei raschem Kulturverlust, eigentlich völlig egal. Nicht selten – so wie Zweig – ohne die Landessprache zu sprechen sowie nach möglichst kurzer Verweildauer im Land. Triste, beispielsweise mit ansehen zu müssen, wenn sehr bekannte hochbezahlte TV-Korrespondenten aus Europa in Brasilien Interviews führen, dabei aber ohne ihre Dolmetscher sowie extra eingeflogenen Medienberater völlig hilflos, verloren wären. Manche verheddern sich bei wichtigen Terminen gar mit ihren Übersetzern vor den spöttisch wartenden Persönlichkeiten, blicken nicht durch, blamieren sich mit ihrer Arroganz zudem vor der Schlange langsam ärgerlich werdender brasilianischerJournalisten, die ebenfalls ein Interview brauchen. Zusätzlich kurios, wenn Dolmetscher europäischen Korrespondenten grotesk falsch übersetzen oder zu Dutzenden eingeflogenen Sonderkorrespondenten auf Anweisung von interessierter Seite nur das übersetzen, was sie hören sollen - bzw. die Übersetzung „frisieren“. Preisfrage – welche Korrespondenten oder Reisejournalisten in welchen Ländern wären ohne Dolmetscher völlig verloren?

http://www.happy-rio.net ...alles über Brasilien !;)

 Sprung  
design by Lufdablom CH-9424 Rheineck           design by Lufdablom CH - 9424 Rheineck
Xobor Ein Kostenloses Forum | Einfach ein Forum erstellen
Datenschutz